Warum ist ein Volvo 121 cool?

Trendforscher David Bosshart

Warum ist ein Volvo 121 cool?

10. Januar 2024 agvs-upsa.ch – David Bosshart, Gründer Bosshart & Partners, war 22 Jahre lang CEO des renommierten Gottlieb-Duttweiler-Instituts und verfügt über 35 Jahre Erfahrung als Referent und ist Experte für Zukunftstrends und Konsumentenverhalten. Seine Erkenntnisse und Einsichten haben zahlreichen Betrieben und Organisationen geholfen, sich auf Veränderungen in der Geschäftswelt vorzubereiten und erfolgreich zu navigieren. Seine Ausführungen liefern wertvolle Einblicke in die Herausforderungen und Chancen der Zukunft; dazu gehört auch der erfolgreiche Weg zur Kundenbindung und -zufriedenheit. Sascha Rhyner

tdsg2024_bosshart_920px.jpg
David Bosshart, Gründer Bosshart & Partners & Volvo 121 (Amazon). Foto: Volvo

David Bosshart, was dürfen die Gäste am «Tag der Schweizer Garagen» von Ihnen erwarten?
David Bosshart: Bei 800 oder noch mehr Menschen muss sich der Saal über den langen Tag immer wieder neu mit Energie aufladen. Ich werde genug Energie mitbringen. Und die drei I: Inhalte, Inspiration und Irritation. Also auf den Punkt kommen statt Powerpoint-Schlachten. Zum Weiterdenken anregen für Entscheidungsfindung in Alltag und Strategie. Da ich keine Interessen zu vertreten habe, kann ich frei reden.

Sie sind ein Trendforscher – wie muss man sich das vorstellen?
Ich sehe mich eher als Futuristen – also als umgekehrten Historiker. Man kann heute nichts mehr verstehen, wenn man die Geschichte(n) nicht kennt: der Technologie, der Wirtschaft, der Energie, der Menschen. Trends haben in der digitalen Welt eine hohe Beliebigkeit bekommen – oft versucht man, sie mit grossen Marketingbudgets oder Subventionierungen zu beeinflussen oder gar zu machen. Und werden so zu sogenannten «Trevents», also als Event inszenierte Trends, siehe die Elektroautos oder die veganen Produkte. Nur: Den Markt und die Kunden kann man über längere Zeit nicht täuschen.

Welche Methoden verwenden Sie, um Trends zu identifizieren und zu analysieren?
Mein Hauptinteresse hat stets dem Retail und dem Kundenverhalten gegolten. Sie brauchen ein breit abgestütztes Experten-Wissen in verschiedenen Retail-Kategorien und in der Technologie, viel Erfahrung mit unterschiedlichen Branchen und Menschen. Gute Fragen stellen lernen! Und natürlich unstillbare Lernbereitschaft und Neugier, ergänzt durch Reisen und Beobachtungsgabe: Small Data und Big Data ergänzen sich.

Wie hat sich die Welt in den letzten Jahren in Bezug auf Trends verändert?
Was die Menschen betrifft: weniger als wir vermuten. Informationsflut, Regulierungswahn und Social Media erwecken den Eindruck, dass alles anders wird. Führungskräfte brauchen vor allem gute Nerven und ein gutes Vorstellungsvermögen, wohin die Garage sich entwickeln soll. Wenn wir sozusagen jeden Tag eine neue Welt haben, auch bei Energie, Antrieben und Mobilität, muss man zugleich kurzfristig flexibel und anpassbar sein, aber langfristig robust bleiben und wissen, was man will. Oder noch besser: was man sicher nicht will.  


Alles über den «Tag der Schweizer Garagen» 2024
erfahren Sie hier.

Welche Trends sehen Sie in unserer (Autogewerbe-)Branche?
Viele Entwicklungen in der Branche finden im vorgelagerten Einflussbereich der Garagen statt. China, nicht mehr der Westen, dominiert den grossen Teil der Wertschöpfung und die Volumen. Zum grossen Teil aus eigener Schuld und arroganten Fehlentscheiden über die letzten 30 Jahre. Das ist schlecht für Europa und uns. Niemand will mehr für die grüne Wende bezahlen – die Autoindustrie nicht, die Konsumenten nicht, die Investoren und die Aktionäre nicht und die Angestellten auch nicht. Und Staaten kämpfen mit steigender Verschuldung und Refinanzierungsproblemen. Garagen sollten sich auf eine längere Phase mit viel Unruhe und Unsicherheiten einstellen. Chancen tun sich aber immer wieder auf, keine Bange. Für mich das Entscheidende: die besten Talente, Mitarbeitende halten und weiterbilden. Standorte werden noch wichtiger. Wer nichts besser oder anders kann als der Wettbewerber, gibt seine Existenzberechtigung auf.

Gibt es spezifische Entwicklungen, die unsere Branche in naher Zukunft beeinflussen könnten?
Ganz klar für die kommenden Jahre: Elektroautos machen nur Sinn, wenn immer mehr automatisiert und der Fahrer als Störfaktor so schnell als möglich eliminiert wird. Das ist das Geschäftsmodell von Tesla und Uber. Uber ist profitabel, wenn der grösste Kosten- und Risikofaktor, der Mensch, wegfällt. Dann gibt es weniger Gründe, ein Auto zu kaufen. Tesla hat hohe Bewertungen wegen überlegener Technologie und Software. Ich werde an der Tagung kurz aufzeigen, was das heisst. Garagen laufen Gefahr, in Zukunft primär austauschbare Software-Pakete anzubieten. Als Gegentrend steigt die Sehnsucht nach dem Analogen, körperlich Beherrschbaren, Sinnlichen. Warum ist ein Volvo 121 cool? Hingegen ein Tesla Cybertruck oder ein Hummer-EV ein martialischer Kühlschrank mit technischen Protzwerten? Die emotionale Bindung zum Auto nimmt ab und wird transaktional. Markenkraft wird schwächer. Welchen und wie viel lokalen Service brauche ich noch, wenn immer mehr zentral gesteuertes Datenmanagement wird und die Abhängigkeiten von komplexen Infrastrukturvorleistungen steigen? Gehen wir Richtung ambulanter Service? Der Weg in die neue Welt der Antriebe scheint wieder eher offen. Wie bei der Energie: Plötzlich sind auch Kernkraftwerke vor einer Renaissance.

Welche neuen Technologien haben das Potenzial, die Art und Weise, wie wir leben und arbeiten, zu verändern?
Wir sind sehr amerikanisch geworden: Es gibt jeden Tag einen Hype, welche neuen Revolutionen alles ändern werden. Seriös ist das nicht, sondern einfach Marketinglärm um Aufmerksamkeit. Die grossen Durchbrüche kommen alle erst relativ spät und zufällig, nicht geplant. In den 00er-Jahren haben die meisten Geschäftsleute auf Blackberry gesetzt – dann kam 2007 das iPhone und hat den Konkurrenten eliminiert. Oft tritt nicht dort Erfolg ein, wo er ursprünglich geplant war – wie bei der Google-Brille. Die wurde in der Industrie eingesetzt, aber als Consumer Produkt hatte sie keine Chance. Wir merken erst spät, wie uns das beeinflusst und verändert. Sicher ist trotz Ungewissheit: Neue Technologien werden viel mächtiger sein und damit weniger beherrschbar von uns Menschen.

Welche Bedeutung hat künstliche Intelligenz und wie sehen Sie die Entwicklung?
Alles wird von kluger Nutzung für die Produktivität und Effizienzverbesserung abhängen, ohne den Menschen zu überfahren und zu manipulieren. Häufig kann man bei der Militärtechnologie abschätzen, was später auf uns im Consumer Bereich zukommt. KI beschleunigt die Entwicklung zum autonomen Fahren.

Wie verändert sich das Verbraucherverhalten, und welche Auswirkungen hat dies auf Produkte und Dienstleistungen?
Zunächst: Wir müssen die Bandbreite von Convenience – Bequemlichkeit, Funktionalität, Automatisierung – bis zur Erlebnisqualität – Freude und Lust am Fahren, an schönen Dingen, Fahren als sinnliche und körperliche Fähigkeit, die Lebensqualität vermittelt, anschauen. Die wichtigsten Trends bleiben – SUVs mit Platz, Sicherheitsgefühl, Vielfalt, kompakter Preis. Und es wird es immer einen Unterschied zwischen Stadt und Land geben.

Welche Rolle spielen die sozialen Medien bei der Verbreitung und Gestaltung von Trends?
Social Media ist die grösste Revolution der letzten 15 Jahre: urmenschlich, appelliert an archaische Gefühle und Stammesverhalten. Mit KI kann man alles noch verstärken. Sie können die Stimme von Lewis Hamilton klonen und einen Sprachanruf mit ihren Worten, aber seiner Stimme machen. Promis können ihren Status und die hohe Anzahl an Followers nutzen, um Politik und Geld zu machen. Social Media lebt von Speed und Netzwerkeffekten, extremer Kurzlebigkeit, die aber ein Leben verändern können.

Inwiefern beeinflussen globale Trends lokale Märkte und umgekehrt?
Trends hängen immer mehr von Perspektiven und Wahrnehmungen ab. Wie wir etwas interpretieren, auch wenn es genau das gleiche Ereignis ist, hängt von Kultur, Wissen und Zugehörigkeiten ab. Wenn wir etwa im Westen sagen, dass die Zukunft asiatisch sei, versteht man das nur bei uns. Wenn wir genauer hinschauen, ist der grosse Trend nur Ostasien als Wachstumsmotor, aber der hat demographische Herausforderungen wie wir.

Wo liegen Chancen für Unternehmen, die sich frühzeitig auf Trends einstellen?
Entscheidend für Garagen ist nicht, dass sie sofort oder als erste auf Trends aufsteigen. Gute Führung heisst immer, im richtigen Moment entscheiden. Wenn man zu spät ist, wird man durch schrumpfende Margen abgestraft, wenn man zu früh ist, fehlt der Cash Flow.

Worauf freuen Sie sich am «Tag der Schweizer Garagen»?
Auf interessante Begegnungen und gute, kraftvolle Stimmung. Und zwei bis drei gute Ideen zum Mitnehmen. 

Weitere Infos unter:
davidbosshart.com
agvs-upsa.ch/tagung2024

 
Feld für switchen des Galerietyps
Bildergalerie

Kommentar hinzufügen

13 + 4 =
Lösen Sie diese einfache mathematische Aufgabe und geben das Ergebnis ein. z.B. Geben Sie für 1+3 eine 4 ein.

Kommentare